Wir sind gut gestartet und meistern die Herausforderungen. Jedoch: Abgesehen von neuen Lerninhalten und grossen didaktischen Änderungen im Lehrplan, müssen Schulen und KollegInnen auch mit Hindernissen mit fehlender Kooperation, geringer Kollaboration, ungenügender fächerverbindender Grundhaltung oder infrastrukturelle Probleme kämpfen. Einmal mehr wurde an dieser Kadertagung klar: Wir schaffen das, weil wir es unbedingt schaffen wollen – zugunsten der Lernenden und sehr intrinsisch motivierten Gründen. Und das ist gut so. Warum, zeigen ReferentInnen aus der Berufsschule und Hochschule, Mitwirkende aus Berufsverbänden und betrieblicher Schulung (üK) sowie Mitgestalter aus Lehrmittelverlagen. So wurde aus der Kadertagung ein wie immer wertvoller Vernetzungsanlass verschiedener Interessenten.

«Jung, dynamisch gut» – so ist die BiVo2023 gestartet

Hört man Jonathan Drewlow, IKA-Lehrperson an der KBZ St. Gallen und der Berufsschule Wil, zu, wie er mit seinen Lernenden kreativ und freudvoll die Herausforderungen der BiVo anpackt, so macht das Mut, insbesondere sein Appell «Seid offen! Man darf den jungen Leuten und ihren Fähigkeiten einiges zutrauen!». Als Junglehrer ist sein Vergleich zwischen alter und neuer Bivo ungetrübt von gefestigten Erfahrungen und darum erfrischend ehrlich. Er empfiehlt, unbedingt mit Lernlandschaften zu arbeiten, Bekanntes mit Neuem in einem gemeinsamen Findungsprozess zu mixen und unbedingt über das Fachteam hinaus zu kooperieren – noch besser zu kollaborieren.

Thomas Bruhin aus Olten stimmt dem als «alten Hasen» völlig zu und bestärkt, dass die Reform notwendig und gut sei, ganz im Sinne von «education needs no evolution but revolution». Er bezeichnet die aktuelle Phase als «Beta-Phase» und ermutigt, gemeinsam mit den Lernenden vorwärtszugehen. Der Umstand von weniger dafür grösseren Klassen mit noch mehr Individualisierung und intensiven Lerncoachings ist nicht optimal und machen eine Balance in Didaktik und Pädagogik notwendig: Frontalunterricht wird zugunsten SOL- und Gruppenarbeit ständig abnehmen. Unterstützend wirkt dabei ein Umbau in Infrastruktur mit mehr Rückzugszonen, Nutzung von Studio für Audio und Video oder Werkatelier und anderes.

Ganz anderen Überraschungen und Stolpersteine musste André Mangold aus Basel bewältigen: Wegen der Umbenennung der Schule und somit neuer E-Mail-Adressen funktionierte die Lizenzierung der Lehrmittel nicht. Dafür schwärmt er für das Betreuungskonzept, bei dem alle Klassenlehrpersonen für das 1. und 2. Lehrjahr eine zusätzliche Lektion im Stundenplan erhalten. Und er freut sich auf den Neubau der Schule, wo bereits im Provisorium deutliche Verbesserungen sicht- und spürbar sind. Etwas mehr Schwung dürfte die Zusammenarbeit im Fach-Kollegium erleben. Er schielt dabei auf das gelungene Teamwork bei den Sprachlehrpersonen, die für andere Fachgruppen wohl als Multiplikatoren wirken werden.

An der bwd Bern wird schon lange fächerverbindend gearbeitet – die KollegInnen können hier aus ihren Erfahrungen mit den Sportlerklassen profitieren, wo Lernlandschaften seit über zehn Jahren vielseitig eingesetzt werden. Yvonne Widmer berichtet, wie hier Teams gemeinsam den Unterricht erarbeiten, wie Ideen eingebracht und Unterlagen von anderen gegengelesen werden, sodass ein von mehreren Seiten betrachtetes, vollständiges Konzept entstehen kann. Sie schätzt die etablierten, fixen und zahlreichen Zeitgefässe, wo sich Teamleader regelmässig treffen, austauschen, miteinander arbeiten. Ob die Lernenden mit der BiVo2023 besser auf die QV vorbereitet seien, kann und will Yvonne nicht bestimmen, insbesondere, wenn noch niemand klar weiss, wie dies gestaltet wird. Klar ist jedoch, dass eine «andere» Lehre andere Kompetenzen benötigt – und darauf hin arbeiten Lernende und Lehrende eindeutig.

QV reloaded

Daniel Kinzlers jährlicher Rückblick auf die vergangene QV zeigt ein grösstenteils ausgeglichenes Bild zu Trennschärfe, Gleichgewicht oder Bewertungen mit wenigen Ausreisser nach oben oder unten. Bemerkenswert sind Erkenntnisse wie, dass nur ein kleiner Teil der Schulen keine zusätzlichen Prüfungen wie SIZ, ECDL oder andere anbieten, stolze 66 % der Schulen noch immer eigene Informatikzimmer besitzen, obwohl etwa 45 %  der Schulen BYOD im IKA-Unterricht eingeführt hätten.

Die QV nach neuer BiVo2023 wird 2026 eingeführt. Für HKBE (aka IKA) somit erstmals eine Prüfung, die in allen Landessprachen dieselbe sein wird und nicht je nach Sprachregion eine eigene Version anbietet. Die Entwicklung sei im Gange, wobei der Prozess von ectaveo definiert wurde und Praxisbildner die Aufgaben (mit)bestimmten. Leitfaden, Musterprüfungen sind auf Konvink (mit persönlichem Login) einsehbar, eine Nullserie noch immer in der Bearbeitung.

«Nicht KI stiehlt mir meinen Arbeitsplatz – sondern Personen, die mit KI arbeiten»

Mit diesem (frei übersetzten) Zitat startete Roger Basler seine Keynotes zu «KI macht Schule». Gross denken – das werden wir dank, trotz oder wegen KI wohl oder übel müssen, denn die ganze Welt hat KI und macht vor der Türe des Klassenzimmers nicht halt.

Auch wenn es eigentlich (noch) gar keine (starke) KI gibt und über 325 Modelle mit unzähligen Tools (wer mag, kann sich auf ki-suche.io tummeln) den Überblick absolut unmöglich machen, so sollten wir uns unbedingt mit den «generativ pretrained transformers» beschäftigten. Unbewusst tun wir dies bereits, denn «machine learning» steckt in 77 % aller Handys. Wir merken es, wenn wir Nachrichten schreiben und der Algorithmus anhand von 175 Mia (!!!) Parametern weiss, welches Wort logischerweise als nächstes im Satz zu stehen kommt. Also lassen wir doch die Maschine die Informationen zusammensuchen und verarbeiten, wofür wir Menschen 80 Jahre bräuchten um diese zu lesen.

Noch müssen wir einiges lernen, denn Lernende wie Lehrpersonen nutzen ChatGPT als wäre es Google – und das ist falsch. Wir könnten effizienter werden mit KI. Wir werden ChatGPT individueller einsetzen müssen. Roger Basler meint: «Erst, wenn Du weisst, was Du tust, hast Du Vertrauen ins Handeln. Und wer dem eigenen Handeln vertraut, hat die Chance, die Welt zu verändern.» Den Faden nehmen wir gerne auf, denn nach ihm ist Fragen kostenlos, aber nie umsonst. Darum #FragRoger.

Die betriebliche Ausbildung ist reformiert!

Mit viel Elan zeigte Mirjam Müller von CYP, wie Praxisbildner die BiVo2023 in der betrieblichen Ausbildung angepackt haben. Anhand von 95 Leitfragen (statt Leistungszielen), daraus abgeleitet 65 Praxisaufträgen, mit Kompetenzrastern sowie Selbst- und Fremdeinschätzung und regelmässigen Portfolioeinträgen werden die Lernenden durch ihre Ausbildung geführt. Dabei werden 6 Erfahrungsnoten – also eine pro Semester – erstellt, die anhand Beurteilungsinstrumente wie Bildungsbericht und betrieblicher Kompetenznachweis eruiert werden.

Eines ist offensichtlich: Die betriebliche Lehre ist hervorragend strukturiert und wird mit dem einheitlichen LMS time2learn konsequent sowie transparent geführt. Davon könnte die Schule gerne einiges übernehmen – was ein weiterer Schritt zur Lernortkooperation bedeuten könnte.

Wie sieht die Aus- und Weiterbildung von IKA-Lehrpersonen aus?

Daniel Degen, Leiter Zentrum Berufs- und Erwachsenenbildung der PHZH, verwies einerseits auf die Zusatzqualifikationen, die IKA-Lehrpersonen an der PHZH erwerben können. Die Kurse dazu lauten «Inhalte multimedial aufbereiten», «Daten auswerten und visualisieren» und «Webprojekt mit CMS umsetzen», dauern ca. 3 Halbtage und kosten jeweils rund CHF 900. Andererseits: Umfassende Befähigung erlangt man im CAS «Unterricht gestalten mit digitalen Medien», das zeitgemäss aus multimedialem Lernen, blended learning und SOL-Sequenzen sowie einem Praxisobjekt besteht. Und wer noch mehr will: MAS in digital Education macht den persönlichen Kompetenznachweis komplett.

Wie weiter mit dem Verband?

Diese Frage stellt sich seit einiger Zeit, da IKA als Fach bald nicht mehr existiert, Lehrpersonen für EFZ meist in HKBE unterrichten, bei der EBA-Ausbildung jedoch Teile auf HKB C/D/E verteilt sind. Es gibt bald keine Ausbildung IKA-Lehrperson mehr – obwohl das Studium an der PHZH noch heute so genannt wird. Es geht auf jeden Fall um Austausch, Kollaboration, Vernetzung – sei es während eines (online) Feierabendbiers (TEAMS-Gruppe – Interessierte melden sich bitte bei Yvonne.Widmer@bwdbern.ch), eines Workshops zu Erfahrungsaustausch HKBE (31. Januar 2024 in Bern – Anmeldung hier) oder an der nächsten Mitgliederversammlung (16. März – Termin vormerken!). Kooperation und/oder Integration in einen Berufsverband wie der Schweizerische Verband der Lehrkräfte für Wirtschaft und Recht SVWR oder den Dachverband wie Berufsbildung Schweiz ist ebenfalls möglich. Bruno Juhasz vom BCH hat jedenfalls mit seiner Kurzvorstellung die Brücke dazu gebaut und Ramon Wardak (Vorstandmitglied SKKBS) läd Abgeordnete von Verbänden zu regelmässigen Austauschtreffen ein.

PS der Autorin Anita Schuler: Dieser Bericht ist über 2 Seiten lang geworden. Ich habe ihn selbst geschrieben. Dennoch: Ich habe ChatGPT um eine Überarbeitung gebeten. Das war streckenweise passend, jedoch sind viele wertvolle Informationen weggefallen. Ich habe ihn (oder es?) um eine Kürzung auf 1 Seite gebeten, was wenig informativ war. Darum: Ich habe mich entschieden, Euch diese lange, originale Version zuzumuten 😉.